In vielen Hobbykellern sammeln sich Werkzeuge zu den unterschiedlichsten Zwecken: Hämmer, Zangen, Schraubendreher, Bohrer, Sägen und vieles mehr. Da ist der Hobbyhandwerker nicht zimperlich, zu jedem Zweck muss ein zweckmäßiges Werkzeug her. Nur beim Fotohobby sind viele Zeitgenossen bemüht – und das wird sogar in der Werbung propagiert – mit möglichst wenig Werkzeug aus zu kommen. Der Hobbyfotograf ruft nach dem alles umfassend abbildenden Objektiv von 7 – 500 mm mit möglichst hoher Lichtstärke.

Noch nie hat jemand versucht, mit einem Uhrmacherwerkzeug ein grobes Werkstück zu bearbeiten. Und doch gibt es auch im Werkzeugkoffer so etwas wie ein Zoom, die Rohrzange! Damit kann man unterschiedlich dicke Rohre fassen, aber nichts abzwacken und auch kein Kabel abisolieren. Auch die Bohrmaschine fasst im selben Bohrfutter unterschiedlich dicke Bohrer und aus unterschiedlichen Materialien für die verschiedenen Werkstoffe. Man sieht, Zoom-Objektive haben schon ihr Pendant, allerdings in den meisten Fällen greift man zum Spezialwerkzeug.
Reportage, Familienfeiern, Urlaubserinnerungen und viele andere Motive lassen sich mit einem variablen Objektiv sehr gut erfassen. Kommt es aber auf Verzeichnungsfreiheit oder hohe Lichtstärke zum Freistellen vom Hintergrund an, so sind die meisten Zooms ungeeignet.
Die lichtstarken sind meist  außerhalb des Geldbeutels angesiedelt, f:1,8 oder f:1,4 sind bei Varioobjektiven nicht zu finden. Dazu kommt noch die kleine Abbildung auf den APS-C Chips, die immer eine größere Aufblendung erfordert als das Vollformat.

Eines ist nicht zu haben: Das verzeichnungsfreie Zoom-Objektiv!

In einem früheren Beitrag haben wir schon einmal „Brennweite“ definiert als den Abstand der Hauptebene H’ von der Brennebene. Da erklärten wir auch die „Retrofokuskonstruktion“ als die Möglichkeit, ein Weitwinkel-Objektiv überhaupt an einer SLR zu nutzen. Wir drehten das Objektiv dann um und fotografierten enorm vergrößert im Makrobereich. Ein Teleobjektiv ist nun nichts anderes als ein umgekehrt konstruiertes Weitwinkel, H’ liegt nicht im, sondern vor dem Objektiv. Und da beginnt das Kreuz mit der Verzeichnung! Die Blende sollte sich nach Möglichkeit den Platz mit H’ im Objektiv teilen. Steht sie vor H’ wie beim Weitwinkel, so entsteht eine tonnenförmige Verzeichnung, liegt sie hinter H’ wie beim Tele, so ist ein Kissen das Resultat.
VerzeichnungIn einer Festbrennweite ist das bekannt und auch einigermaßen beherrschbar. „Floating elements“, bewegliche Objektivteile, bewegen beim Fokussieren zum Beispiel nicht nur das Objektiv vor und zurück, sondern verändern auch die Linsenstellung zueinander und bewegen gar die Blende, wenn sie denn beweglich ist! Dazu muss allerdings die Blende im Objektiv durch eine flexible Platine mit Strom versorgt werden. Die Möglichkeit der Blendenbewegung fällt  aus, wenn diese mit einer Welle aus dem Gehäuse auf und zu gemacht wird.

Ein Zoom ist nun eine Konstruktion wie ein Handschuh, den man auf rechts anzieht und auf links dreht, besonders, wenn ein großer Weitwinkelteil mit einem langen Tele zusammen kommt. Bei Weitwinkel steht die Blende weit vor H’ und beim Tele weit dahinter, Tonne und Kissen sind die Folge!
Welche Brennweite soll man nun korrigieren, lang oder kurz oder die Mitte? Hat man eine bewegliche Blende, so lässt sich die Verzeichnung mildern, aber weg ist sie nie! Ich weiß das und fotografiere gern mit meinem Standardobjektiv 2,8/24-70. Da sind die Extreme nicht so hoch wie bei einem 18-300 und die Lichtstärke ist wunderbar groß.

Ich wähle nach dem Prinzip: Lichtstärke ist alles, Brennweite kann man auch laufen! Und für die Architektur gibt es tolle Festbrennweiten.

So entsteht nicht die Frage, ob ich lieber ein Zoom oder eine Festbrennweite nutze, sondern welches Motiv fotografiert werden soll. Wir kaufen uns doch auch keine Laubsäge und stellen hinterher fest, dass es dafür nichts zu sägen gibt. Ich höre schon den Einwand, das sei alles zu teuer. Ich fliege eben nicht für 14 Tage an den Ballermann, sondern verzichte vielleicht auf 14 vergängliche Tage, kaufe dafür lieber ein Objektiv, an dem ich Jahre Freude habe. Den Ballermann überlasse ich gern den Leuten, die ihren Urlaub mit dem Von-Bis-Zoom dokumentieren oder nur mit dem Smartphone und auch beim Büffet danach handeln: Alles auf einem Teller, von der Vorspeise über Fisch und Fleisch bis zum Nachtisch. Guten Appetit!

Werkzeugliste-LenaZarte Unschärfen, völlig aufgelöster
Hintergrund, die Schärfe am richtigen Ort
bei Av mit f:2,8.
Das geht hier mit dem 2,8/300 fantastisch.
Dieses Bild kann man mit einem Zoom
bei Stellung 300 mm/f:5,6 oder gar 6,3
nicht fotografieren.

 

 

 

Werkzeugkiste-ScarlettWer mit „Erbsen und Möhren“ gedanklich
umgehen kann, weiß nur zu genau,
dass dieses Bild mit einer Festbrennweite
nicht fotografierbar ist,
wie soll man da die „Möhren“ explodieren lassen? 24-70 bei 1/10 sek. f:2,8

 

 

Werkzeugkiste-Scarlett-35-14Das 35 mm-Objektiv mit der offenen Blende f:1,4
zieht den Blick auf den Scharfpunkt
und lässt alles andere sanft in Unschärfe verschwimmen,
der aufgesteckte Blitz sorgt für die Schattenaufhellung
und ist kaum zu sehen.
Es ist wie in einem guten Orchester,
in dem alle homogen zusammen spielen.
Würde aber einer fehlen oder gar falsch spielen,
so merkte man es sofort.
Und in den meisten Blitzbildern spielt der Blitz falsch oder solo.

 

 


Werkzeugkiste-Scarlett-28Am Rand kein Fensterkreuz, keine Wand,
nichts, was verzeichnen könnte!
Und so brilliert das 24-70
mit seiner enormen Lichtstärke,
setzt die Schärfe auf das Auge
und der Rest verliert sich fließend.
Auch hier spielte der Blitz mit!
Aber „hört“ man ihn heraus?